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Geschichte

Die Geschichte der Unteren Stadtkirche in Wetzlar

Die Franziskaner in Wetzlar
1248 werden zwei Franziskanerbrüder in Wetzlar in einer Urkunde genannt. Von einem Franziskanerkloster in Wetzlar spricht erst eine Urkunde von 1278 „claustrum Minorum fratrum“. 1284 erhalten die Mönche das Nutzungsrecht an einem Steinbruch in Hermannstein. Die Franziskanerkirche war wohl um 1300 fertig, denn bereits 1303 wird ein Heiligkreuzaltar im Minoritenkloster zu Wetzlar genannt. Das Franziskanerkloster lag am unteren Ende der Altstadt in einem sumpfigen Gelände, das erst bei der Erweiterung der Stadt 1270-1290 bebaut wurde. Unter dem Altar des Chorraums floss der Wetzbach hindurch. Der heutige Schillerplatz war der Friedhof des Klosters.

Architektur und Ausstattung der Unteren Stadtkirche

Grundriss Kloster Chor und Musikschule
Die Untere Stadtkirche ist nur der östliche Teil der ehemaligen Franziskanerkirche, der Chorraum. Im westlichen, mehrfach umgebauten Kirchenschiff befindet sich heute die Musikschule.
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Die Untere Stadtkirche ist im Stil der Frühgotik errichtet mit einem Kreuzrippengewölbe und einer einfachen Fenstergliederung (zwei spitzbogigen Lanzettfenster mit einem sogenannten Dreipass darüber). Der östliche Abschluss, die Apsis, besteht aus fünf Achteln eines Kreises.
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Über der Orgel ist auf dem verzierter Schlussstein im Gewölbe ein Löwe mit Jungen zu sehen. Die Malerei an der Wand am Ende der Treppe der Empore entstand in der Mitte des 14. Jahrhunderts.
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Die Orgel im historischen Prospekt von 1803 stammt aus der Orgelbauwerkstatt Jürgen Ahrend in Leer/Loga und wurde 1990 eingeweiht.
Rechts vom Altar öffnet sich eine Tür zu den Resten des ehemaligen Kreuzgangs.
Geibel Ruland Ulmenstein
An den Wänden des Kirchenschiffs erinnern mehrere Gedenksteine der Barockzeit daran, dass die Kirche auch Begräbnisort für prominente Mitglieder der reformierten Gemeinde war. Die Steine bestehen zumeist aus sogenanntem schwarzen Lahnmarmor.

Wechselhafte Nutzung
Nach dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 fand das Franziskanerkloster ein vorläufiges Ende. Die Stadt richtete im Kloster eine lateinische Stadtschule sowie Wohnungen für die Lehrer und evangelischen Geistlichen ein. Die Klosterkirche wurde in eine lutherische Kirche umgewandelt.
Nach dem Zuzug von sechzig wallonischen Familien aus den spanischen Niederlanden, die 1586 wegen ihres reformierten Glaubens nach Wetzlar flohen, wurde die Untere Stadtkirche als reformierte Kirche genutzt. Während die Reformierten den Chor der Franziskanerkirche benutzten, hielten die Lutheraner ihren Gottesdienst im Hauptschiff ab, ohne dass eine bauliche Trennung vorgenommen worden wäre. 1626 mussten Kloster und Kirche während der spanischen Besatzung im Dreißigjährigen Krieg an die Franziskanermönche zurückgegeben werden. Unter der schwedisch-protestantischen Besetzung konnten die Lutheraner ab 1632 für kurze Zeit das Kloster wieder für sich gewinnen, mussten es aber bereits 1634 wieder den Franziskanern überlassen. Diese verließen nach dem Dreißigjährigen Krieg 1649 die Stadt.
Seit 1650 wurde hier wieder evangelisch-lutherisch gepredigt und Unterricht in der Stadtschule erteilt. Erst 1660 erhielt die reformierte Gemeinde den Klosterchor (= Untere Stadtkirche) zurück. 1675 zogen wieder die Franziskaner in ihr Kloster ein.
Rekonstruktion gesamte Kirche 
(Rekonstruktion der Klosterkirche)
Sie erhielten jedoch nur das Hauptschiff der Kirche und zwei Flügel der Klostergebäude. Chor und Friedhof sollten der reformierten Gemeinde verbleiben, und den dritten Flügel sollte ein lutherischer Prediger als Wohnung behalten. Von nun an wurde im Hauptschiff also zu gewissen Zeiten wieder katholischer Gottesdienst gehalten. Daraufhin ließ die reformierte Gemeinde die heute noch existierende Scheidewand zwischen Chor und Schiff aufrichten.
1720 erhielt der Chor der Klosterkirche ein Rotsandstein-Barockportal mit Muschelkrönung.
Das dreischiffige Langhaus wurde 1723 von den Franziskanern in vergrößertem Ausmaß im Barockstil umgebaut. Dabei entstand auch das grüne Barockportal, der heutige Eingang zur Musikschule. Er zeigt das rankenverzierte Symbol der Franziskaner: ein viermal geknoteter Kuttenstrick umschließt ein Kreuz und zwei kreuzweise übereinander liegende Arme, deren durchbohrte innere Handflächen die Wundmale Christi zeigen.
Noch 1813 bestand das Franziskanerkloster aus acht Patres und vier Laienbrüdern. 1824 gab es nur noch vier Brüder, 1826 noch einen.
Am 13. Oktober 1833 vereinigten sich die Lutheraner und die Reformierten Wetzlars zu einer evangelischen Kirchengemeinde. Um die beiden evangelischen Stadtkirchen zu unterscheiden, wurde der Chor der ehemaligen Franziskaner-Klosterkirche „Untere Stadtkirche“ genannt, der Dom war die „Obere Stadtkirche“.